Neue Technologien, digitale Kompetenzen und Bereitschaft zur permanenten Veränderung – Ein Modell zum digitalen Wissenstransfer

Digitalisierung verändert neben Wirtschaft und Gesellschaft zunehmend auch die Hochschulen. Nicht nur in Forschung, Lehre und Verwaltung, sondern auch im Wissenstransfer sind digitale Technologien und Dienste inzwischen allgegenwärtig. Das vom Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung und dem Land Niedersachsen geförderte Projekt Digital Knowledge Transfer Model, angesiedelt im Kooperationsservice der Leuphana Universität Lüneburg, untersuchte in den vergangenen Jahren die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für den Wissenstransfer an Hochschulen. Ziel war es, mit Hilfe digitaler Technologien und Formate neue Zielgruppen für den Wissenstransfer zu erschließen und zu erweitern, die Partizipation zu erhöhen und damit die Transfertätigkeiten an Hochschulen insgesamt zu skalieren.

Modell des Digitalen Wissenstransfer
Leuphana Kooperationsservice CC BY-SA 4.0 international
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Wissenstransfer an der Leuphana

Die gesellschaftlichen Erwartungen an Hochschulen, durch forschungsbasierten Wissens- und Technologietransfer zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen beizutragen, haben in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Der Wissens- und Technologietransfer ist als hoheitliche Aufgabe neben Forschung und Lehre fest in den Hochschulgesetzen verankert. Über das Anstoßen von und Mitwirken an gesellschaftlichen Debatten hinaus sind Hochschulen angehalten, gemeinsam mit der Praxis gestalterisch aktiv zu sein und damit als Motor für Innovation und Transformation zu fungieren[i]. Es besteht zunehmend die Notwendigkeit von neuen, kreativen Wegen der Zusammenarbeit in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft[ii] und somit von transdisziplinären Kooperationsansätzen[iii]. Unterschiedliche Studien der letzten zehn Jahre betonten verstärkt die Aufgabe der Hochschulen, Kooperation und Zusammenarbeit mit Akteuren aus Gesellschaft und Wirtschaft zu etablieren, um langfristig die erfolgreiche Bearbeitung der gesellschaftlichen Anforderungen zu ermöglichen. Hochschulen obliegt damit die Aufgabe, gesellschaftliche Phänomene nicht nur nachzuvollziehen, sondern als Motoren für Innovationen und Transformationen zur wirtschaftlichen Wertschöpfung sowie zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung aktiv beizutragen. Diese Aufgabe wird von Hochschulen unterschiedlich wahrgenommen und gestaltet.

An der Leuphana Universität Lüneburg wird der Wissens- und Technologietransfer als integraler Bestandteil von Forschung und Lehre auch im Sinne der niedersächsischen Transferstrategie umgesetzt. Diesem Verständnis liegt ein erweiterter Transferbegriff im Sinne wissenschaftsbasierter Beziehungen im steten Dialog mit allen gesellschaftlichen Kräften [iv] zugrunde, d.h. der Wissenstransfer ist bidirektional angelegt und umfasst Kooperationen mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.[v] So steht nach diesem Verständnis nicht nur die Verwertung am Ende eines Forschungs- und Innovationsprozesses im Fokus, vielmehr wird der gesamte Forschungs- und Innovationsprozess von Anfang bis Ende betrachtet, um die passenden Kooperationen dazu anzubahnen und zu unterstützen.

Ziel der Leuphana ist es, mit Wissenschaft-Praxis Kooperationen die notwendigen Handlungsräume zu eröffnen, in denen Wissenschaft und Gesellschaft zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen zusammenkommen und während des jeweiligen Forschungs- und Entwicklungsprozesses gleichberechtigt kooperieren.

Diese Art von Wissenstransfer kann maßgeblich zur Übernahme von Verantwortung der Wissenschaft für ihre Rolle im gesellschaftlichen Transformationsprozess sowie zur Steigerung ihrer gesellschaftlichen Legitimität und Sichtbarkeit beitragen. Um die Aktivitäten der Leuphana im Bereich Wissens- und Technologietransfer sowie Kooperationen strukturell zu stärken, wurde in 2016 der Leuphana Kooperationsservice eingerichtet. Der Kooperationsservice verfolgt die Vision, wissensbasierte Transformationen und Innovationen durch Kooperationen zwischen Universität und Praxis in allen Phasen professionell und nachhaltig auszubauen und zu fördern. Dazu arbeitet der Kooperationsservice strategisch am Ausbau und Umfang von Kooperationsaktivitäten und -partnerschaften sowie der Festigung der (über)regionalen bzw. internationalen Vernetzung. Er nutzt dafür alle Instrumente, die der Realisierung von Kooperationen dienen, von der Kooperationskommunikation über das Innovationsscouting und Vernetzung bis hin zum Kooperations- und Wissensmanagement. Als Innovationen werden dabei nicht nur Produktinnovationen verstanden, sondern schließen Prozess- und soziale Innovationen mit ein. Insbesondere Open Innovation[vi] und Co-Creation Ansätze werden unterstützt, welche die Öffnung des Innovations- und Transformationsprozesses von Organisationen und damit die aktive strategische Einbindung der Außenwelt zur Vergrößerung des Innovations- und Transformationspotenzials umfassen und einen Perspektivwechsel vornehmen, hin zur Berücksichtigung der Eigenlogiken der verschiedenen gesellschaftlichen Systeme und ihrer Denkweisen. Die Leuphana versteht sich damit als zentraler Teil eines kollaborativen Ökosystems und regionalen Verantwortungsraum, das positive Veränderungen mit seinen Wissenscommunities vorantreibt und nicht nur Universitäten, Wirtschaft und Regierung umfasst, sondern auch soziale Unternehmen, Nichtregierungsorganisation und Kultureinrichtungen, Schulen sowie die Gesellschaft als Ganzes.

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Nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrats[vii] lässt sich der Wissens- und Technologietransfer an Hochschulen mit seinen unterschiedlichen Aufgabenschwerpunkten in die drei Handlungsfelder Kommunikation, Beratung und Anwendung gliedern [viii].

Überträgt man die Tätigkeiten und Angebote für Kooperationen, Wissenstransfer und Gründungsunterstützung an der Leuphana Universität Lüneburg auf diese drei Handlungsfelder, so lassen sie sich wie folgt einbetten. In dem Handlungsfeld „Kommunikation“ würde der multidirektionale Austausch von Daten, Informationen und Wissen zwischen Hochschule und Praxis integriert werden. Dazu gehören die Kommunikation innerhalb der Hochschule mit Wissenschaftler*innen und zentralen Einrichtungen, die Kommunikation außerhalb der Hochschule mit Praxis und Partnern sowie die Durchführung von Veranstaltungen und das Wissensmanagement (Austausch von Erfahrungswissen).

Unter dem Handlungsfeld Beratung wird die gezielte Vermittlung und der Einsatz von Expert*innenwissen in die und mit den Praxisakteur*innen verstanden. Dazu zählen. verschiedene Formen der Beratung, z.B. Gründungs-, Projekt- oder Verwertungsberatung sowie wissenschaftliche Dienstleistungen.

Im Handlungsfeld Anwendung würde der Schwerpunkt mit den kooperativen Projekten und Formaten liegen, wie zum Beispiel Personalaustausch, Initiierung, Aufbau und Unterhaltung von Innovations- und Gründungsräumen, Durchführung gemeinsamer anwendungsorientierter Projekte, sowie Aufbau und Umsetzung von Netzwerken und/oder Plattformen. Dieses Feld umfasst auch den gesamten Kooperationsmanagementprozess von der Anbahnung bis zur Umsetzung von Kooperationen in unterschiedlichen Formaten.

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Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Hochschulen

Wie in vielen anderen Bereichen verändert die Digitalisierung auch den Bereich Wissenstransfer an Hochschulen zunehmend. Unter Digitalisierung wird in diesem Kontext die Nutzung von Digitaltechnologien verstanden[ix]. Kennzeichnend dabei ist der technologische Fortschritt im Sinne von erweiterten Rechenkapazitäten, schnellerer Rechenleistung und daraus neu entstehenden und immer erschwinglicheren digitalen Technologien, Produkten und Dienstleistungen. Wesentliche Eigenschaften dieser Technologien sind, dass sie oftmals keiner physischen Ressourcen für die Herstellung bedürfen, also immateriell sind, dafür aber leicht veränderbar, schnell zu vervielfältigen und zu skalieren. Diese Technologien generieren immer mehr Daten, die zur Verfügung stehen und für weitere Entwicklungen genutzt werden können. Als digitale Transformation bezeichnet man damit einhergehend die erheblichen Veränderungen des Alltagslebens, der Wirtschaft und der Gesellschaft durch die Verwendung digitaler Technologien und Techniken und deren Auswirkungen[x]. Diese sich immer weiter beschleunigenden Entwicklungen machen vor Universitäten nicht halt. Zum einen werden in der Wissenschaft Digitalisierung und digitale Transformation zunehmend Forschungsgegenstand – auch als interdisziplinäres Querschnittsthema. Zum anderen halten immer mehr digitale Technologien und Dienste Einzug, um den Forschungsprozess zu unterstützen. Auch die Lehre bietet vermehrt digitale Lehre und eLearning-Angebote an und vermittelt gleichzeitig notwendige digitale Kompetenzen und sogenannte Future Skills an die Studierenden. Die Verwaltung wiederum führt Campus Management Systeme ein, um den Student-Life-Cycle aus einer Hand zu bieten und digitalisiert die Prozesse im Personal- und Finanzbereich. Damit steigt auch der Wettbewerb um die besten Köpfe, Ressourcen und Ideen unter Universitäten. Sei es der Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Attraktivität durch exzellente Forschungsumgebungen und schlanke Prozesse oder durch neue Angebote, die völlig neue Lernumgebungen und Abschlüsse bieten. Digitalisierung kann hierbei ein erfolgsentscheidender Faktor sein. Auch im Wissenstransfer der Hochschulen bewirkt die Digitalisierung grundlegende Veränderungen.

Digitaler Wissenstransfer im Kooperationsservice der Leuphana

Durch den Einsatz neuer digitaler Technologien und Medien und damit neuer Kommunikations-, Interaktions- und Kollaborationsformen verändern sich die Möglichkeiten der Hochschulen, Gesellschaft und Praxispartner im Rahmen ihrer Aufgaben im Wissens- und Technologietransfer zu informieren, anzusprechen und mit ihnen in den Dialog und zu treten. Das Projekt „Digital Knowledge Transfer Model“ zielte darauf ab, mit Hilfe von Digitalisierung und den damit einhergehenden technologischen Möglichkeiten und veränderten Rahmenbedingungen Kooperationsmöglichkeiten zu erweitern bzw. auf neue Art und Weise umzusetzen. Durch den Einsatz digitaler orts- und zeitunabhängiger Formate sollten zusätzlich neue Zielgruppen angesprochen und erschlossen, Kooperationen auf neue Art und Weise umgesetzt und so die Transfermöglichkeiten von Hochschulen insgesamt erweitert werden. Der Austausch und die Zusammenarbeit mit Akteuren aus Wirtschaft und Gesellschaft sollten durch den Einsatz digitaler Anwendungen weiterentwickelt und partizipativer gestaltet werden und eine größere Aufmerksamkeit erfahren. Dazu wurden neue Formate für den Wissens- und Technologietransfer erprobt, um den Austausch von Wissenschaft und Praxis zu intensivieren. Das Projekt prüfte die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung in den Handlungsfeldern des Wissenstransfers und identifizierte dabei die Kompetenzbereiche Toolset, Skillset und Mindset als vorrangige Erfolgsfaktoren. Der Bereich Mindset bildet dabei das Fundament für das Skillset, also jenes, was Menschen befähigt, etwas zu tun. Und es beeinflusst die Art der Anwendung von Werkzeugen, also das Toolset[xi]. Das Toolset, Skillset und Mindset durchdringen dabei die drei beschriebenen Handlungsfelder des Wissenstransfers Kommunikation, Beratung und Anwendung und verknüpfen diese wiederum auf unterschiedlichste Art und Weise.

Der digitale Wandel befeuert die Entwicklung hin zu einer sogenannten VUKA[xii]-Welt. Das Akronym steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität und beschreibt die Folgen der Digitalisierung und der daraus resultierenden digitalen Transformation für die Gesellschaft. Auch der Wissenstransfer ist komplexer geworden, indem durch Digitalisierung Kommunikation und Kooperation direkt, dialogisch und agil stattfindet. Da die Essenz der Digitalisierung in ihrer steten Wandelbarkeit liegt, benötigt man, um die Digitalisierung nachvollziehen zu können, eine ihr zugewandte Geisteshaltung. Dies bezeichnet man auch als Growth Mindset, was die lebenslange Lernbereitschaft in einer sich stets verändernden Welt beschreibt.

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Zur detaillierten Beschreibung und Darstellung der drei Erfolgsfaktoren Toolset, Skillset und Mindset wurde im Projekt ein Periodensystem des digitalen Wissenstransfers erarbeitet. Wie aus der Chemie bekannt, umfasst ein Periodensystem ein Ordnungssystem aller chemischer Elemente. Im Projekt wurde das Periodensystem als Analogie verwendet, um die verschiedenen für den Wissenstransfer relevanten digitalen Elemente darzustellen. Diese können alleine für sich funktionieren, aber gerade durch die Rekombination verschiedener Elemente entwickeln sich digitale Technologien bzw. Anwendungsszenarien weiter. Das Periodensystem für den digitalen Wissenstransfer zeigt daher, welche Technologien, Dienste und Formate nach aktuellem Wissenstand des Projekts für die Handlungsfelder des Wissenstransfers von Bedeutung sind und was ein entsprechendes Skillset und Mindset benötigt. Auf dieses soll im Folgenden näher eingegangen werden.

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Das Toolset für den digitalen Wissenstransfer

Das Toolset für den digitalen Wissenstransfer umfasst diejenigen digitalen Dienstleistungen, Formate und Kanäle, aber auch Methoden, die für eine digitale Zusammenarbeit förderlich sind. In das Toolset wurden zudem die Basistechnologien miteinbezogen, die aktuell und voraussichtlich auch in Zukunft Relevanz für die Handlungsfelder des Wissenstransfers besitzen. Bei der Auswahl der Tools wurde stets geprüft, ob sie aktuelle und absehbare zukünftige Herausforderungen des Arbeitsbereichs lösen können. Die Auswahl richtete sich zunächst danach, ob sie entweder für die Optimierung und Skalierung von bestehenden Prozessen im Wissenstransfer einen Mehrwert bieten oder die Gestaltung ganz neuer und effizienter Prozesse unterstützen, die erst durch den Einsatz dieser Technologien ermöglicht werden. Dabei galt es, die konkreten Nutzungsanforderungen der einzelnen Handlungsfelder, in denen sie angewendet werden sollen, nicht aus dem Auge zu verlieren. Die Anwendung eines Tools sollte eine tatsächliche Verbesserung darstellen und nicht um seiner selbst willen eingesetzt werden – weniger ist dabei oftmals mehr. Weitere Kriterien der Auswahl waren unter anderem: 1. Vorhandene/alternative Lösungen; 2. Technische Voraussetzungen (z.B. Bandbreite, Serverkapazitäten); 3. Datenschutz/Urheberrecht/AGBs; 4. Kosten/Ausschreibungspflicht; 5. Usability für Administratoren/User; 6. Offene/proprietäre Datenstruktur; 7. Aufwand-Nutzen-Bewertung; 8. Einmaliger Bedarf/wiederkehrender Bedarf; 9. Langfristige Einbindung in die Organisation.

Im dargestellten Periodensystem gibt das Toolset – geordnet nach verschiedenen Kategorien – einen Überblick über digitale Technologien und Anwendungen, die das Potenzial haben, den Wissenstransfer effektiver und effizienter zu gestalten. Dabei können die aufgeführten Tools – ganz gleich, welcher Gruppe sie zugeordnet sind – in allen drei Handlungsfeldern gleichermaßen zum Einsatz kommen, auch wenn ihr Einsatz mitunter einem Tätigkeitsfeld eindeutiger zuordenbar ist als anderen. Weiterhin bauen die Tools unterschiedlicher Gruppen in ihrer Funktion aufeinander auf oder sind miteinander vernetzt. So können zum Beispiel Inhalte einer Konferenz (Gruppe „Digitale/ hybride Formate“) über Social-Media-Netzwerke (Gruppe „Kanäle“), in Form eines Take-overs (Gruppe „Digitale/ hybride Inhalte“) verbreitet und ihre Rezeption in der Zielgruppe über Analytic Tools (Gruppe „Digitale Anwendungen“) evaluiert werden. Zusammenarbeit erfolgt immer durch unterschiedliche Formate wie in Gruppe „Digitale/ hybride Formate“ dargestellt. Diese können analog organisiert werden – mit Hilfe von digitalen Technologien und darauf aufbauenden digitalen Diensten, wie in Gruppe „Digitale Anwendungen“ gezeigt, können sie aber auch teilweise oder vollständig digitalisiert werden. Diese Formate können sowohl im Handlungsfeld Kommunikation angewendet werden, wenn etwa Veranstaltung der reinen Informationsvermittlung dienen oder auch die Beratung und Anwendung unterstützen, z.B. in der Form von Videosprechstunden oder Workshops. Die Inhalte in diesen Formaten werden meist über Methoden wie in Gruppe „Frameworks und Methoden“ dargestellt vermittelt oder erarbeitet, die zwar auch analog funktionieren, jedoch insbesondere im digitalen Raum bzw. digital unterstützt ihre Wirkung entfalten.

Das Skillset für den digitalen Wissenstransfer

Damit die Einführung von digitalen Tools in Organisationen funktioniert, ist es auch erforderlich, das Skillset der Mitarbeitenden für den digitalen Wissenstransfer zu schärfen und zu erweitern. Im Rahmen des Projektes wurde aus der Vielzahl der in der einschlägigen Literatur aufgeführten Anforderungen jene digitalen Kompetenzen extrahiert, die in diesem Tätigkeitsbereich erforderlich sind. Hierzu wurden in einem ersten Schritt die sieben Kompetenzbereiche der New Media Consortium-Überblicksstudie[xiii] um die Bereiche Kollaboration und Datensicherheit aus dem DigComp-Modell 2.1 erweitert[xiv]. Auf dieser Grundlage wurden drei digitale Kompetenzcluster gebildet, welche aus Projektsicht die relevanten digitalen Kompetenzfelder im Wissenstransfer abbilden. Diese wurden bereits in einem früheren Artikel[xv] ausführlich beschrieben und sollen hier verkürzt dargestellt werden.

Datenkompetenz, Informationserstellung & kritische Einordnung:

Wer digital partizipiert, arbeitet oder forscht, produziert permanent Daten, Informationen und neues Wissen. Für den digitalen Wissenstransfer werden daher zunehmend weitreichende Kompetenzen in der Erhebung, Verwaltung und Analyse von Daten benötigt. Die Digitalisierung hat darüber hinaus die mehrdimensionale Kommunikation für Hochschulen vereinfacht. Anders als früher sind verschiedene Medien (Text, Bild, Grafik, Video) miteinander verwoben und nicht mehr an einzelne Kanäle gebunden, die nur einen Inhalt wiedergeben können. Hier ist die neue Herausforderung, dass die Content-Produktion nun sowohl auf unterschiedliche Kommunikationskanäle als auch auf unterschiedliche Adressaten angepasst werden muss. Weiterhin wichtig ist eine entsprechende Bewertungskompetenz zur Relevanz und Zuverlässigkeit von Daten. Mit einer solchen „Data Literacy“ entsteht im Wissenstransfer ein realistisches Bild über die Interessen von Forschenden und Praxisakteuren und es können Möglichkeiten geschaffen werden, ein erfolgreiches Matching für Wissenschaft-Praxis-Kooperationen regional, national aber auch international vorzunehmen.

Digitale Kommunikation, Kollaboration und Agilität:

Wie oben bereits erwähnt, werden die interne Kommunikation in der Hochschule und bei Veranstaltungen, als auch die Kommunikation mit Praxispartner*innen und interessierter Öffentlichkeit im digitalen Wissenstransfer zunehmend vielfältiger. Interne wie externe Kommunikation findet inzwischen weitestgehend digital statt. Damit einhergehen veränderte und neue Kontaktmöglichkeiten zu den Zielgruppen zum Beispiel auf sozialen Netzwerken, die zunehmend in Echtzeit kommunizieren. Formate im Wissens- und Technologietransfer verändern sich darüber hinaus zunehmend zu kollaborativen Mitmachformaten, die oft den Einsatz digitaler Tools erfordern. Sie ermöglichen es, solche Formate auch zeit- und ortsunabhängig durchführen und so möglichst viele Anspruchsgruppen einbinden zu können. In diesem Kontext werden auch Kenntnisse und Anwendungskompetenz in agilen Arbeitsweisen zunehmend wichtiger sowie eine daraus folgende kontinuierliche Lernbereitschaft und kreative Problemlösungskompetenz. Mitarbeitende im Transfer müssen heute (digitale) Scouts von aktuellen Herausforderungen, Innovationsthemen und sich verändernden Bedingungen, aktive Netzwerker, Mentoren und Enabler für transferaffine Forschende und Praxispartner sein. Diese Aufgaben und Anforderungen bedürfen einer agilen und kollaborativen Arbeitsweise der Mitarbeitenden.

Datenschutz/-sicherheit, Technische Kompetenzen und Urheberrecht

Ein drittes wichtiges Cluster der digitalen Kompetenzbereiche des Wissenstransfers ist der Umgang mit relevanten Aspekten des Datenschutzes, der Datensicherheit und des Urheberrechts. Dies ist vor allem seit in Kraft treten der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zwingend notwendig. Datenschutzrechtliche Vorgaben verlangen, dass Sicherheitsaspekte in der Verarbeitung persönlicher Daten berücksichtigt werden, und implizieren somit, dass grundlegende Kenntnisse über sichere Datenverarbeitung sowie die genutzte IT-Infrastruktur in Einrichtungen vorhanden sind. Zur technischen Anwendungskompetenz gehört die Fähigkeit, eingesetzte Tools vollumfassend bedienen zu können. Aber auch ein grundlegendes Verständnis ihrer technischen Anforderungen fällt in diesen Bereich, der damit auch wieder Relevanz für den Datenschutz und die Datensicherheit erlangt. Kenntnisse zum Urheberrecht und Open Access sind im Wissenstransfer unentbehrlich, um die Bestimmungen und urheberrechtliche Restriktionen einschätzen zu können, die bei der Nutzung und Veröffentlichung von Inhalten zum Tragen kommen und geprüft werden müssen.

Das Mindset für den digitalen Wissenstransfer

Digitaler Wissenstransfer benötigt die Bereitschaft der beteiligten Personen für Veränderungen. Dafür muss ein digitales Mindset entwickelt werden, um mit der Bereitschaft zur permanenten Veränderung eine Experimentier-Kultur zu schaffen. Obwohl dieser Begriff im Zusammenhang mit Digitalisierung oft genannt wird, findet sich bisher in der Literatur zu digitalem Mindset noch keine feste Definition. Wenn man jedoch die oben genannten Begriffe wie VUKA-Welt als Folge und Growth Mindset als Antwort auf Digitalisierung miteinbezogen werden, dann kann man Konzepte wie Open Innovation, Lebenslanges Lernen, ein Bekenntnis zu Transparenz, Hierarchiefreiheit und Wertschätzung gegenüber neuen Ideen und anderen Denkweisen sowie unternehmerisches Denken darunter fassen. Dies bedeutet neben der Re-Organisation von Prozessen die Schaffung eines Umfelds zur Förderung von offenen Innovationen. Ein innovationsförderndes Umfeld braucht eine institutionelle Bereitschaft und Offenheit für Veränderung, Räume sowie geeignete Werkzeuge, die Innovation fördern. Für den Wissenstransfer bedeutet dies beispielsweise die Etablierung neuer Transferformate, die Interaktion und Teilhabe fördern und die gleichzeitige Experimentierräume eröffnen mit der Option zum zwischenzeitlichen Scheitern. Doch bevor Mitarbeitende einer Organisation oder Besucher*innen einer Veranstaltung aktiv partizipieren können, braucht es die Offenheit der Teilnehmenden für diese neuen Prozesse sowie digitale Kompetenzen, um diese zu anzuwenden.[xvi] Wer ein digitales Mindset besitzt, kann Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung nachvollziehen und ist in der Lage, ihre Wechselwirkungen zu erkennen und zu analysieren und begegnet diesen Veränderungen mit Neugierde.[xvii]

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Fazit

Das vorgestellte Modell des digitalen Wissenstransfers zeigt Ansätze auf, wie die Handlungsfelder des Wissenstransfers digital erweitert, optimiert und gegebenenfalls transformiert werden können. Dadurch werden Möglichkeiten eröffnet, die Reichweite des Wissenstransfers zu vergrößern und neue bisher nicht erreichte Zielgruppen mit einzubeziehen. Die Handlungsfelder verschmelzen damit zum Teil und entwickeln sich weiter. Durch verstärkte Nutzung von digitaler Kommunikation und Kooperation können Prozesse z.B. zeitsparender gestaltet werden. Partner und weitere Zielgruppen lassen sich einfacher erreichen, passgenau ansprechen und effektiv zusammenbringen. Bei der Digitalisierung im Wissenstransfer liegen damit die Vorteile in den Effizienzgewinnen sowie in der Möglichkeit der Skalierung. Hochschulen können das Periodensystem als Übersicht nutzen und die vorhandenen Bausteine entweder einzeln auf ihre jeweiligen Arbeitsbereiche anwenden oder durch Kombination der verschiedenen Elemente ganz neue Anwendungsszenarien generieren. Dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Digitalisierung des Wissenstransfers von den Mitarbeitenden nachvollzogen und umgesetzt werden muss. Dazu müssen sie entweder neue Impulse und Kompetenzen von extern hinzuziehen oder die Transformation aus sich heraus vollziehen. Beides bedeutet eine entsprechende Ressourcenausstattung sowie eine langfristige, strategische Gestaltung anstelle von Ad-Hoc-Digitalisierungsbestrebungen, die mit Reibung und Überforderung der Beteiligten bei laufenden Betrieb zwangsläufig einhergeht.


[i] Vgl. European Commission (2014): Boosting Open Innovation and Knowledge Transfer in the European Union. Independent Expert Group Report on Open Innovation and Knowledge Transfer, Luxemburg. Online verfügbar unter https://ec.europa.eu/research/innovation-union/pdf/b1_studies-b5_web-publication_mainreport-kt_oi.pdf und Wissenschaftsrat (2015): Zum wissenschaftspolitischen Diskurs über große gesellschaftliche Herausforderungen. Positionspapier, Stuttgart. Online verfügbar unter https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4594-15.pdf?__blob=publicationFile&v=1    

[ii] Vgl. BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung (2018): Forschung und Innovation für die Menschen. Die Hightech-Strategie 2025. Seite 10. Online verfügbar unter https://www.bmbf.de/upload_filestore/pub/Forschung_und_Innovation_fuer_die_Menschen.pdf.

[iii] Vgl. Senat der Hochschulrektorenkonferenz (HRK): Die Hochschulen als zentrale Akteure in Wissenschaft und Gesellschaft. Eckpunkte zur Rolle und zu den Herausforderungen des Hochschulsystems. Bonn 2016. Online verfügbar unter https://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02-01-Beschluesse/HRK_-_Eckpunkte_Hochschulsystem_2016.pdf und Wissenschaftsrat: Wissens- und Technologietransfer als Gegenstand institutioneller Strategien. Positionspapier. Weimar 2016. Online verfügbar unter http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5665-16.pdf

[iv] HRK – Hochschulrektorenkonferenz (2017) Transfer und Kooperation als Aufgaben der Hochschulen. Entschließung der 23. Mitgliederversammlung der HRK am 14. November 2017 in Potsdam. Online verfügbar unter http://www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02-01-Beschluesse/Entschliessung_Transfer_und_Kooperation_14112017.pdf. Zugegriffen am 23.02.2020

[v] Vgl. Frank, Andrea (2017): Wirkungsvolle erste Schritte. In: Stifterverband; Heinz
Nixdorf Stiftung: Kooperative Hochschule. Erfolgreiche Partnerschaften mit Politik,
Wirtschaft und Gesellschaft. DUZ Special, S. 13. Online verfügbar unter: www.stifterverband.org/mediathek/duz-special-kooperative-hochschule

[vi] Der Begriff Open Innovation stammt von Henry Chesbrough.

[vii] Wissenschaftsrat (2016): Wissens- und Technologietransfer als Gegenstand institutioneller Strategien. Positionspapier. Weimar. Online verfügbar unter: www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5665-16.pdf

[viii] Wissenschaftsrat 2016: ; CHE…; HRK…

[ix] Gilch, Harald et al. (2019): Digitalisierung der Hochschulen, Institut für Hochschulentwicklung. Vgl: https://www.e-fi.de/fileadmin/Innovationsstudien_2019/StuDIS_14_2019.pdf

[x] Vgl. https://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/wi-enzyklopaedie/lexikon/technologien-methoden/Informatik–Grundlagen/digitalisierung/digitale-transformation

[xi] Hofert, Svenja; Thonet, Claudia (2019): Der agile Kulturwandel. 33 Lösungen für Veränderungen in Organisationen. Wiesbaden

[xii] Siehe auch: Mack, Oliver et al. (2016): Managing in a VUCA-World.

[xiii] Alexander, B., Adams Becker, S., Cummins, M., and Hall Giesinger, C.(2017). Digital Literacy in Higher Education, Part II: An NMC Horizon Project Strategic Brief. Volume 3.4, August 2017. Austin, Texas: The New Media Consortium. Online verfügbar unter: https://library.educause.edu/-/media/files/library/2017/8/2017nmcstrategicbriefdigitalliteracyheii.pdf  

[xiv] Carretero, Stephanie/Vuorikari, Riina/Punie, Yves (2016): DigComp 2.1. The Digital Competence Framework for Citizens. Luxemburg. Online verfügbar unter: http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC106281/web-digcomp2.1pdf_(online).pdf

[xv] Japsen, A. und Wuppermann M. (2018): Nichts geht mehr ohne digitale Kompetenzen. DUZ Wissenschaft und Management Ausgabe 05/2018, S. 32-37.

[xvi] LEAD Innovationsblog (2018): 10 Maßnahmen zur Schaffung von Innovationskultur. Online verfügabr unter: https://www.lead-innovation.com/blog/10-maßnahmen-zur-schaffung-von-innovationskultur

[xvii] Quelle: https://intercessio.de/digital-mindset-digital-ist-keine-software-es-ist-eine-denkweise/