Wie können wir gemeinsam die Transformation hin zu einer solidarischen, diversen und nachhaltigen Ökonomie und Gesellschaft in die Hand nehmen? Diese Frage erscheint oft so groß und der eigene Handlungsspielraum gleichzeitig so klein. Wie Menschen trotzdem Antworten darauf finden, haben die inspirierenden Gründer*innen gezeigt, die wir in der HEY!-Gesprächsreihe in den Transformations::Räumen begrüßen durften. Wir, das sind Maike Buhr, Prof. Jacob Hörisch und Fenja Reinsberg aus dem Team Ökopreneurprojekt des Centre for Sustainability Management (CSM) der Leuphana Universität. Mit den Impact-Gründer*innen Martin Auer von Youth Lead the Change Germany, Milli Schroeder von der Poliklinik Veddel, Constanze Klotz und Charlotte Erhorn von Bridge&Tunnel sowie Luca Windolph und Kristina Niehoff von Sol Nocturno haben wir in diesem Sommersemester 2024 darüber gesprochen, wie es geht, als Gründer*innen Initiative zu ergreifen, Chancen zu erkennen und selbstständig gemeinwohlorientiert zu handeln.
All diese Gründungen beschäftigen sich auf verschiedene Weise mit Nachhaltigkeit. So setzt sich Youth Lead the Change Germany für demokratische Teilhabe, die Poliklinik Veddel für soziale und politische Gesundheitsversorgung, Bridge&Tunnel für Chancengerechtigkeit und Upcycling und Sol Nocturno für fairen und nachhaltigen Kaffeeanbau ein. Dieses breite Spektrum zeigt auf, wie facettenreich und umfassend Nachhaltigkeit gelebt und verstanden werden kann. Alle Teilnehmenden konnten ganz konkret und persönlich mit den Gründer*innen darüber sprechen, wie Wirtschaft und Nachhaltigkeit zusammen gedacht werden können und was es für eine erfolgreiche Impactgründung braucht.
Alle Gründer*innen erzählten von verschiedenen Hürden, welche sie in ihrer Arbeit überwinden. Martin Auer, der Co-Gründer des gemeinnützigen Vereins Youth Lead the Change Germany, erzählte beispielsweise darüber, dass die Zusammenarbeit mit Kommunen für den Verein einerseits enorm wichtig, anderseits aber auch herausfordernd sei. Martin sieht die Ursache dabei unter anderem oft in bürokratischen und ineffizienten Strukturen. Gleichzeitig zeigte Martin auch auf, wie wichtig sie es als Verein finden nach systemischer und nachhaltiger Wirkung zu streben und flexibel zu bleiben. So konzipiert Youth Lead the Change derzeit auf Basis bisheriger Erfahrungen ein Begleitprogramm für Städte, um diese in einer dreijährigen Projektphase dabei zu unterstützen eigene Jugendhaushalte zu etablieren – und so junge Menschen niedrigschwellig und selbstwirksam für Demokratie zu begeistern.
Milli Schroeder von der Poliklinik Veddel tauchte mit uns sehr anschaulich in die Welt der Gesundheitsversorgung in Hamburg ein. So ist diese besonders in den Stadtteilen gebündelt, in denen wohlhabendere Menschen leben. Sie erklärte, dass Gesundheitsversorgung deshalb vielerorts nicht nachhaltig sein könne, wenn die Menschen behandelt, aber anschließend in die prekären Lebensumstände zurückgeschickt werden, die sie krank gemacht haben. An dieser Stelle setze die Arbeit der Poliklinik an und versuche die Verhältnisse der Patient*innen nachhaltig zu verbessern und nicht nur deren Krankheitsbild zu behandeln.
Im Gespräch mit Luca Windolph und Kristina Niehoff von Sol Nocturno war u. a. das Thema Ehrenamt wichtig. Der fair produzierte Kaffee wird per Segelboot nach Hamburg gebracht und dann in eine Rösterei weitertransportiert. Um möglichst wenig Emissionen zu generieren, transportiert Sol Nocturno den Kaffee vom Hafen zur Rösterei mit Fahrrädern oder als Gepäck per Zug. Dafür braucht es viele Freiwillige, die ihre Zeit investieren, die Kaffeesäcke verladen und transportieren. Auch Luca und Kristina selbst zahlen sich zwar ein Gehalt aus, können aber nicht von ihrer Gründung allein leben. Sie erzählten davon, dass dies aktuell allerdings auch gar nicht ihr Ziel sei. Sie würden regelmäßig darüber sprechen, aber eine Skalierung ihrer Gründung sei aktuell nicht ihr Wunsch, auch wenn sie das für die Zukunft nicht ausschließen.
Auf die Frage, was sich bei ihren Gründungen als besonders wertvoll herausgestellt hat, berichteten alle Impact-Gründer*innen immer wieder von wertvollen Netzwerken. Sie erzählten davon, wie sie bei Wettbewerben, Konferenzen und Gründungscamps nützliche Kontakte knüpfen und präzise Fragen stellen konnten.
Genau das konnten sich auch Constanze Klotz und Charlotte Erhorn von Bridge&Tunnel zu Nutze machen, als sie ihre soziale Upcycling Manufaktur gründeten. Interessant im Gespräch mit den beiden war z. B. auch die Frage darüber, ob man als gute(r) Gründer*in alle nötigen Skills in sich versammeln muss, bevor man eine Gründung angeht. Die Meinung von Constanze und Charlotte dazu war ganz klar: Nein! Sie selbst hätten viele Kompetenzen und notwendiges Wissen erst im Laufe der Gründung erlangt oder seien noch fortlaufend dabei, sich dieses anzueignen. Dabei sind sie auch vor Aufgaben nicht zurückgeschreckt, die thematisch weit abseits ihrer persönlichen Aus- und Vorbildung lagen. So haben sich die beiden Gründerinnen kurzerhand mit einem erfahrenen Ex-CEO einer externen Firma zusammengesetzt, um von ihm alles Notwendige zum Thema Finanzen für ihre eigene Gründung zu lernen.
Eben dieses Miteinander sprechen und Voneinander lernen hat sich in der Gesprächsreihe als besonders wertvolle Praxis für eine erfolgreiche Gründung herausgestellt. Unsere Gäste haben dem Publikum ermutigende Worte und Tipps mit auf den Weg geben können. Zum Ende jedes Gesprächs machte sich somit ein Gefühl von Kollektivität und gegenseitiger Unterstützung breit. Und wenn die Gespräche nur erreicht haben, dass die Zuhörenden sich etwas mehr empowered gefühlt haben und der eingangs erwähnte Handlungsspielraum etwas größer erschien, dann war die diesjährige HEY!-Reihe ein voller Erfolg.
Die HEY!-Gesprächsreihe findet in den Transformations:Räumen statt und ist ein Kooperationsprojekt vom DBU-geförderten Projekt ‚Vom Öko zum Ökopreneur‘ am Centre for Sustainability Management und vom SCHub (Social Change Hub) und der Leuphana Universität.
Dieser Text wurde von Fenja Reinsberg und Maike Buhr verfasst.