Man kann auch hier großwerden. Drei Jahre Sandbox: Ein Rückblick.

Das Projekt „Sandbox Innovation Process“ ist nach drei Jahren offiziell abgeschlossen. Was bleibt, nach drei Jahren Arbeit zu dem zukunftsträchtigen Thema „Innovation“? Neben einer eingetragenen Marke blicken die Mitarbeitenden des Projekts, Verena Meyer, Fabian Pleß und Yasmin Azim Zadeh in einem Team-Interview auf die letzten Jahre zurück. Sie konnten ihre Teilnehmenden während eines strukturierten Innovationsprozesses in Form von Workshops in ihrer persönlichen Entwicklung stärken. Sie haben Hürden abgebaut, Gestaltungsräume geschaffen, zur Stärkung der Innovationkraft einer ganz besonderen Region und nicht zuletzt zur Bildung einer Gemeinschaft, die an die Kraft der Veränderung glaubt, beigetragen.

Was war eure Motivation, im Sandbox-Projekt zu arbeiten?

Fabian: Mich hat es gereizt, zwischen Wissenschaft und Praxis zu arbeiten. Im Studium hatte ich das Gefühl, dass ich das, was ich gelernt habe, in der realen Welt nicht anwenden kann. Meine Hauptmotivation war es daher, mich an die Schnittstelle von Theorie und Praxis zu wagen und einen Transfer bzw. eine Art Übersetzungsarbeit zu leisten.
Yasmin: Ich habe die Kombination aus Wissenschaft und Praxis an diesem Projekt ebenfalls als sehr interessant empfunden. Die Möglichkeit, Teams mehrwöchig begleiten zu können hat mich besonders begeistert. Denn während des Innovationsprozesses konnte man die Entwicklung der Projekte, aber auch die persönliche Weiterentwicklung der Teilnehmenden beobachten und Menschen einen Rahmen geben, indem sie etwas gestalten können.
Verena: Für mich stand nach dem Studium fest, dass ich promoviere. Dabei wollte ich aber auch praktisch arbeiten. Sandbox hat mir hierfür den optimalen Raum gegeben. Auf der einen Seite konnte ich meine wissenschaftliche Qualifikation vorantreiben und gleichzeitig, direkt mit Menschen arbeiten. Die Motivation für das Projekt als solches, bestand darin das Thema Innovation voran zu bringen. Wenn ich auf die ganzen drei Jahre, zurückblicke, dann ist das auf jeden Fall auch etwas, was hängen bleibt, der Freiraum zum Experimentieren und zum Ausprobieren, den das Sandbox-Projekt allen Involvierten ermöglicht hat.

Warum bleibt das Projekt relevant?

Yasmin: Es gibt viele universitäre Projekte, die eher auf die Wirtschaft in einer Region eingehen, es geht oft darum, mit Unternehmen zu kooperieren. Im Sandbox-Projekt war das Ziel den Menschen auch persönlich von Grund auf eine Stütze zu sein, um zu starten. Das ist relevant, um mehr Startups in der Region zu fördern, damit die Menschen verstehen, man muss nicht weg, aus einer kleinen Region, man kann auch hier großwerden und gefördert werden.
Verena: In jeder Region, steckt viel Potenzial und es gibt viele Menschen, die Ideen haben, denen es manchmal lediglich an einer Begleitung und an einem Rahmen fehlt. Für die Teilnehmenden, war Sandbox ein Lernprozess und eine Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Wir haben auch über das Projekt hinaus eine Vielzahl an Workshops in ganz unterschiedlichen Kontexten gegeben. Mit diesen Workshops haben wir gezeigt, dass Menschen mit kreativen Methoden relevante Herausforderungen zielführend bearbeiten und Lösungen umsetzen können. Das macht die Relevanz von unserem Projekt aus, die Vermittlung von Gestaltungsfähigkeit und dem Glauben daran, dass Herausforderungen in einem Team gemeinsam bewältigt werden können.

Was waren konkrete Ergebnisse des Projekts? Welche Wirkung hattet ihr?

Fabian: In jedem Workshop gab es „Aha-Effekt“ unter den Teilnehmenden durch die erlebten Methoden und den Abbau von Hürden. Und wenn das Einzige was wir geschafft hätten wäre, dass sich auch nur ein paar Menschen mehr trauen aktive eigene Ideen zu denken und zu verwirklichen, dann wäre ich schon wahnsinnig zufrieden damit. Bei über 50 Workshops ist das schon eine Vielzahl an Menschen, die wir damit erreicht haben. Eine weitere wichtige Wirkung war es zu zeigen, dass Innovationen oder Start-ups nichts abgehobenes sind. Wenn Teilnehmende ihre Projekte weiterentwickeln, und sich Gründungen daraus ergeben, ist das natürlich die größte Wirkung überhaupt.
Verena: Bei einem Drittmittel-Projekt gibt es immer nur für einen bestimmten Zeitraum Geld. Da stellt sich die Frage, was kommt dann auf Dauer dabei rum? Wie man von Anfang an dafür sorgen kann, dass Projekte auf Dauer verankert werden, ist wirklich eine Herausforderung. Bei Sandbox haben wir das dadurch gelöst, dass wir eine eigene Marke angemeldet („Sandbox Innovation Process“), ein Methodenhandbuch erstellt und einige Artikel geschrieben haben. So haben wir konkrete Projektergebnisse erreicht und die Möglichkeit, unter diesem Label und mit diesem Konzept weiterzuarbeiten.

Was zählt ihr zu euren größten Erfolgen?

Fabian: Dass alle, die den Prozess erlebt haben oder daran mitgearbeitet haben, etwas gelernt haben.

Verena: Das haben wir in jedem Prozess und auch so ziemlich in jedem Workshop als Feedback bekommen. Dieses persönliche Lernen, die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven und die Arbeit mit Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen. Eine von unserem Haupterfolgen ist, dass selbst Personen, die am Anfang eher unsicher oder kritisch waren, sich dann weiterentwickelt und etwas umgesetzt haben.
Yasmin: Es war ein großer Erfolg, allen Teilnehmenden das Selbstbewusstsein zu geben, dass ihre Idee etwas wert ist. Und ihnen dabei die richtigen Werkzeuge an die Hand zu geben, damit ihre Ideen wirklich einen Mehrwert bieten und sich weiterentwickeln.


Wie sah ein typischer Arbeitstag bei Sandbox aus?

Fabian: Das hing davon ab, wann der nächste Workshop war. Wenn einer anstand, war die Vorbereitung das Hauptthema und es war kaum Platz für andere Themen. Zusätzlich haben wir viel mit Methoden und Formaten experimentiert, um diese weiterzuentwickeln und damit den Teilnehmenden noch gezielter helfen zu können
Verena: Ja, einen Workshop durchzuführen heißt auch immer ein Konzept zu erarbeiten, das gemeinsam zu besprechen, Feedback dazu zu bekommen, Rollen aufzuteilen und Materialien vorzubereiten. Und dann musste man schauen: sind wir eigentlich, auf dem richtigen Weg? Mit wem vernetzen wir uns? Wo brauchen wir mehr Austausch? Eine weitere Aufgabe war natürlich die Kommunikation, dazu gehörte z. B. Artikel zu schreiben, Podcasts aufzunehmen, mit dem Ziel das Projekt bekannter und transparenter zu gestalten. Gerade an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis ist es wichtig, nach außen zu kommunizieren. Denn eine Sandbox als Blackbox, das wäre nicht so schön.

Welche Herausforderungen gab es und wie seid ihr mit ihnen umgegangen?

Verena: Das naheliegende Thema ist natürlich Corona. Der erste Sandbox Durchlauf fand vor Ort statt und der zweite Sandbox Durchlauf komplett online. Das war eine Veränderung, mit der wir nicht gerechnet hatten.
Fabian: Ich war zu Beginn skeptisch, wie andere Personen auf so einen Prozess reagieren und war positiv überrascht, dass es so gut funktioniert hat. Die Hürde war online vielleicht sogar geringer.
Verena: Ich glaube, dass man auch überlegen kann, wer die Zielgruppe ist, wenn man die Wahl hat. Da wir auch einen regionalen Schwerpunkt hatten und die Leute nicht unbedingt aus der Stadt Lüneburg kamen, war die Anfahrt ein Aufwand, der im Online-Kontext für viele Teilnehmende geringer war. Ich finde aber auch, dass wir zu dritt ganz hervorragend digital zusammengearbeitet haben. Ich weiß nicht Yasmin, ob das für dich zum Einstieg noch einmal eine andere Hürde war?
Yasmin: Die Teamarbeit hat für mich online gut funktioniert, weil wir alle digital affin sind. Für mich war es zu Anfang eher schwierig mich als Workshop Referentin einzubringen, da die Abläufe sehr komplex sind. Da musste ich einige Male bei euch zuschauen, bevor ich Workshops am Ende erfolgreich selbst halten konnte.
Fabian: Eine andere Hürde war die Personalfluktuation.
Verena: In Universitäts-Projekten ist so eine Fluktuation ja oft Alltag. Das stellt eine Herausforderung dar, weil man oft umplanen muss. Das haben wir aber sehr gut gemeistert. Wir haben vierzehn Wochen lang jede Woche Workshops gehalten. Ich glaube, das war eine ganz hervorragende Schule, um jetzt mit jedem weiteren Workshop, der zukünftig kommt, völlig entspannt umgehen zu können. Die Unterstützung unserer Hilfskräfte war dabei auch sehr wichtig.
Fabian: Das stimmt. Danke an Anja, Henriette, Lukas und Lena für ihre tolle Arbeit!

Gab es für euch einen Lieblingsmoment innerhalb des Projekts?

Fabian: Für mich war es das Grill-Event nach dem ersten Sandbox Durchlauf. Das hat mir gezeigt, in wie kurzer Zeit ein so diverses Team zusammengewachsen ist. Von studentischer Hilfskraft über ältere Teilnehmende, am Ende gab es einen einzigartigen Teamspirit. Meinungsverschiedenheiten und persönliche Differenzen, die es am Anfang gab, waren wie in Luft aufgelöst.
Yasmin: Ich mochte die Kommunikation mit den Teams. Ich fand, das war eine schöne Atmosphäre und man hat einfach auch die Dankbarkeit gemerkt, dass wir denen eine Plattform geben, in der sie sich mit uns austauschen können und dass sie sich mit Fragen an uns wenden können.
Verena: Wir hatten ja auch online ein Nachtreffen und konnten sehen, dass die Projekte unterschiedlich weit fortgeschritten waren. Dabei zeigte sich eine große Bereitschaft untereinander, sich auszutauschen und sich gegenseitig Unterstützung zu geben und uns damit im gewissen Sinne zu entlasten oder ein bisschen obsolet zu machen. Aber eben im positivsten Sinne, denn wir geben zwar den Rahmen vor, streben aber eigentlich an, dass die Projekte sich danach selbst tragen und von den Teams weiterentwickelt werden.

Wie habt ihr Feedback eingeholt und wie seid ihr mit Feedback umgegangen?

Verena: Zum einen dadurch, dass wir das Projekt wissenschaftlich reflektiert und uns mit Fokusgruppen und Fragebögen die Eindrücke der Teilnehmenden eingeholt haben. Zum anderen haben wir in den Workshops sehr explizit signalisiert, dass wir offen für Feedback sind. Ansonsten haben wir auch extern Meinungen eingeholt, von unseren Partnern wie der IHK oder unseren Kolleg:innen aus dem Kooperationsservice, die öfter bei Veranstaltungen mit dabei waren und diese mit uns gemeinsam reflektiert haben. Durch den Universitäts-Kontext haben wir auch durch die starke wissenschaftliche Orientierung Anregungen erhalten, allein durch die Abschlussarbeiten, die das Projekt begleitet haben. Eine stärkere Verknüpfung, die nicht für eine Dualität zwischen Wissenschaft und Praxis sorgt, sondern beides gemeinsam denkt, ist etwas, dass ich auch für andere Projekte mitnehme.


Was würdet ihr gerne an Learnings zum Thema Innovation an andere Menschen weitergeben wollen?

Yasmin: Vor allen Dingen das man flexibel bleiben sollte. Man sollte nicht nur steif seinen vorher gedachten Ablauf verfolgen, sondern muss auch einsehen, wenn etwas in der Praxis nicht so funktioniert, wie man sich das theoretisch gedacht hat. Dabei hilft es immer offen und auch transparent zu sein und zu sagen „ja, das sollten wir wohl besser ändern“.
Verena: Ich glaube, das ist auch eine Abwägung: zum einen das Bewährte und Fundierte zu nutzen und gleichzeitig eine gewisse Flexibilität zu erhalten. Das ist auch etwas, was in Innovationsprozessen wichtig ist, damit diese am Ende zielführend sind.
Fabian: Ein wichtiges Thema, was gesamtgesellschaftlich gesehen vielen unklar ist, dass Innovation und Struktur kein Paradox sind, sondern dass es sehr gut einhergehen kann. Viele haben immer noch dieses Bild im Kopf von einem kreativen Menschen, der wie am Fließband ständig neue, gute und kluge Ideen hat. Wir haben häufig genug erlebt, dass man sehr gute Strukturen schaffen kann, die innovatives Denken fördern und das jeder dieser Mensch sein kann. Ideen kommen nicht aus dem Nichts, sondern sie können durch bestimmte Methoden aus jedem Menschen aktiv hervorgerufen werden.
Verena: Genau. Struktur steht Innovation nicht gegenüber, sondern im Gegenteil: Strukturen ermöglichen Räume zu schaffen, in denen dann alle Menschen kreativ sein können, wenn sie sich darauf einlassen. Ich glaube, das ist einer der wichtigsten Punkte für Innovationsprozesse. Dabei sollte Innovation kein Selbstzweck sein, sondern dazu beitragen, in irgendeiner Form eine Herausforderung von einer bestimmten Gruppe von Menschen, zu lösen und dabei die Rahmenbedingungen bewusst berücksichtigen.

Das Projekt Sandbox Innovation Process unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Markus Reihlen wurde vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Land Niedersachen gefördert und war am Kooperations-Service der Leuphana Universität Lüneburg angesiedelt. Mehr Informationen: www.leuphana.de/sandbox-projekt