Digitalisierung verändert Kommunikation

Digitalisierung verändert die Kommunikation von Wissen

Wissenschafts-PR bildet integralen Bestandteil des Wissenstransfers

Der Wissens- und Technologietransfer an Hochschulen wurde in den vergangenen Jahren Teil einer andauernden Debatte um die Ausdifferenzierung des Transfers, der Wissenschaftskommunikation und der Wissenschafts-PR (Vgl. Thiel 2018). Dies resultiert zum einen aus der gesellschaftspolitischen Debatte, dass Hochschulen einen Beitrag zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen leisten und die gesellschaftlichen Wirkungen von Forschung für die Öffentlichkeit verständlich kommuniziert werden sollen (Wissenschaftsrat 2015, S. 18).

Wissenschafts-PR müsse als integraler Bestandteil des übergreifenden Wissenstransfers der Forschungseinrichtungen in die Gesellschaft betrachtet werden, da es „letztlich kaum Ergebnisse der Wissenschaft und Forschung [gibt], die nicht in die Gesellschaft einfließen“ (Ossing & Hüttl 2016, S. 79).

Dialogische Kommunikation als Voraussetzung

Der Wissenschaftsrat forderte bereits 2013 „die dialogische Vermittlung und Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus allen Wissenschaftsbereichen in Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik“ als Leistungsdimension des Transfers zu verstehen (Wissenschaftsrat 2013, S. 26). Diese Debatte wird insbesondere vor dem Hintergrund verschärft, dass die digitale Transformation ein anderes Informations- und Kommunikationsverhalten der Gesellschaft mit sich bringt.

Die Möglichkeiten und der Anspruch, wie wir kommunizieren und welche Akteure als Experten in wissenschaftlichen Debatten wahrgenommen werden, haben sich durch soziale Medien und Technologien verändert und zugenommen (vgl. Ossing & Hüttl 2016, S. 76). Das bedeutet, dass nicht nur Wissenschaftskommunikation wieder als Aufgabe im Wissenstransfer verortet sein muss, sondern Kommunikation als Querschnittsaufgabe im Transfer durch die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten eine erweiterte strategische Rolle erhält.

Strategische Weiterentwicklung des Selbstverständnisses

Diesen Veränderungen muss auch ein neues Verständnis im Prozess der Ideengenerierung, der Gestaltung und Projektentwicklung sowie beim Aufbau von Kooperationen an Hochschulen im Zusammenspiel mit Kommunikation folgen. Der Wissenschaftsrat betont, dass der Wissenschaft immer noch keine einheitliche Vorstellung von Transfer zugrunde liegt.

„Vielmehr variieren die Vorstellungen von Transfer und Transferprozessen in der Komplexität und im Grad ihrer Explikation. Strategieentwicklung setzt explizite Modellvorstellungen von Transfer voraus, etwa bezüglich der Verschränkung mit Forschungsphasen, des Abstimmungs-, Koordinations- sowie Kooperationsbedarfs, der Anforderungen an Planung und Management oder Qualitätssicherung“ (Wissenschaftsrat 2016, S. 21).

Hierzu bedarf es der ganzheitlichen institutionellen Einbindung des Transfers in Strategie, Struktur, Kultur, Prozesse und gelebte Praxis der Hochschulen. Dies bedeutet für den Wissenstransfer, dass dieser nicht mehr als linearer Prozess, sondern als wechselseitiger, rekursiver, bi- und multidirektionaler Austauschprozess mit verschränkten Handlungsfeldern auf unterschiedlichen Kommunikationsebenen betrachtet werden muss (Wissenschaftsrat 2016, S. 11). Wissenstransfer unterliegt somit wie die Wissenschaftskommunikation einem gegenwärtigen Wandel, den es zu gestalten gilt.

Ein erweiterter Transferbegriff, der ganzheitliche Prozesse einbezieht

An der Leuphana Universität Lüneburg wird der Wissens- und Technologietransfer im Sinne eines erweiterten Transferbegriffs umgesetzt. Er beinhaltet neben der klassischen Aufgabe der Verwertung von Forschungsergebnissen eine große Bandbreite an Anforderungen entlang des gesamten Prozesses in transdisziplinären Kooperationen mit Partnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft. Wissens- und Technologietransfer wird an der Leuphana gezielt über die Praxis von Kooperationen, Kultur und Kommunikation realisiert, um wesentliche Beiträge zur Entwicklung von Innovationen für Wirtschaft und Gesellschaft in der Region und darüber hinaus zu leisten.

Das erweiterte Transfermodell

Die Aufgaben im Wissenstransfer werden auf dieser Infographik genau beschrieben. Dabei wird gezeigt, dass die Kommunikation im Wissenstransfer divers ist.
Abbildung: Leuphana Universität Lüneburg

Die Abbildung oben zeigt die vielfältigen Aufgaben, die dem Wissenstransfer in der gegenwärtigen Diskussion in den Teilbereichen zugeschrieben werden und die in der Hochschulpraxis – je nach hochschulspezifischen Anforderungen – bestehen können. Die Teilbereiche mit ihren Aufgaben sind dabei nicht getrennt voneinander zu betrachten.

Die Abbildung verdeutlicht, dass Wissenschaftskommunikation gegenwärtig als ein Aufgabenfeld des Wissenstransfers diskutiert wird. Dazu gehören sowohl die interne Kommunikation zu den verschiedenen Akteuren innerhalb der Hochschule wie auch die externe Kommunikation zu regionalen und überregionalen Praxisakteuren.

Wissenstransfer ist sowohl Kommunikation, als auch Beratung, Kooperationsforschung und Koproduktion

Themenorientierte Transferveranstaltungen, Workshops oder neuere Formate wie Barcamps oder Hackathons und die daraus resultierende Vernetzung der Teilnehmenden sind ebenso Teil der Wissenschaftskommunikation wie ein funktionierendes Wissensmanagement der Ergebnisse. Eine weitere wichtige Aufgabe im Wissenstransfer ist die Beratung zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, wie ein Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis erfolgen kann.

Idealerweise befördert die breite, öffentliche Form von Wissenschaftskommunikation oder die eher individuelle Form von Beratung Kooperationen zwischen Wissenschaft und Praxis, sei es in Form von Kooperationsforschung oder im Sinne einer Koproduktion in eigens dafür eingerichteten Kollaborationsräumen wie Innovationslaboren, Hubs, Labs oder „Industry on Campus“-Arrangements (vgl. Funk & Wuppermann 2019). Eine sehr konkrete, verbindliche Form der Kooperation ist die Zusammenarbeit in Projekten, in denen beide Seiten von neuen Erkenntnissen profitieren und die im Idealfall in die Verwertung in Form von Ausgründungen oder Patenten münden.

Kommunikation muss stets strategisch und operativ betrachtet werden

Kommunikation als strategische und operative Querschnittsaufgabe im Wissenstransfer hat an der Leuphana zum Ziel, Informationen bereitzustellen, Stakeholder zu vernetzen, Vertrauen und Reputation aufzubauen und zu organisieren sowie die Produktion und den Austausch von Wissen zwischen den Akteuren innerhalb und außerhalb der Hochschule zu fördern.

Dies ist durch die veränderten Bedingungen der Kommunikation eine Herausforderung, da die digitalen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien der letzten Jahre ehemals planbare Faktoren wie Zeit, Medien, Formate, Sprecherpositionen, Orte und Räume aufheben, neu arrangieren und verbinden.

Hinzu kommt, dass zwischen interner und externer Kommunikation nicht länger unterschieden werden kann und Wissenschaftskommunikation im Wissenstransfer eines systematischen Wissensmanagements und dem strategischen Einsatz neuer IK-Technologien bedarf.

Es braucht viele neue Kompetenzen im digitalen Wissenstransfer

Unter den Zeichen der Digitalität ist die Öffentlichkeit nicht nur Rezipient, sondern auch Produzent von Informationen und Wissen. Damit ist die Trennung in Laien und Experten nicht länger wirksam (vgl. Stalder 2016). Universitäten stehen vor der Herausforderung, Wissen, Erfahrungen und Bedürfnisse der Akteure in ihre Praxis zu integrieren und in einer Vielzahl von Medien und Formaten zielgruppenorientiert zu kommunizieren.

Kommunikation ist dabei sowohl in Echtzeit wie auch zeitversetzt, einseitig oder wechselseitig, vertraulich im Sinne „one-to-one“, offen (one-to-many), kollaborativ oder kooperativ (many-to-many) über Medien und Formate hinweg möglich (vgl. e-teaching.org 2015). Kommunikation im Transfer wird die Aufgabe zuteil, Kooperation und Kollaboration zu initiieren und zu organisieren.

Für den digitalen Wissenstransfer heißt dies, neue Technologien zur Kommunikation einzusetzen und dabei die Erfordernisse, Kompetenzen wie auch Denk- und Handlungsweisen der Praxisakteure zu berücksichtigen. Ziel sollte es sein, im Dialog Transparenz zu schaffen, zu informieren, Wissen zu kommunizieren und Partizipation zu ermöglichen. Dies erfordert von Transfermitarbeitenden mehr als rein kommunikative Kompetenzen.

Kernaufgabe von Transfer-Mitarbeitenden bleibt die Unterstüzung von Forschenden und Praxispartnern

Mitarbeitende im Transfer müssen daher heute (digitale) Scouts von Innovationsthemen und innovativen Partnern, aktive Netzwerker, Kommunikations- und Social-Media-Experten, Mentoren und Ermöglicher für transferaffine Forschende sowie Daten- und Wissensmanager sein. Ihre Kernaufgabe, die Beratung und Unterstützung von Forschenden und Praxispartnern zu Kooperationen sowie zur Verwertung der Forschungsergebnisse, darf dabei nicht vernachlässigt werden.

Diese Aufgaben und Anforderungen bedürfen einer agilen, kollaborativen Arbeitsweise, die vorhandene Wissenssilos erkennt und aufbricht, um Synergien zu schaffen und auf Grundlage dessen aktiv Netzwerke gestaltet und Wissen kommuniziert. Um diese Wissenssilos aufzubrechen, bedarf es eines strategischen Vorgehens, welches die Zielgruppe der Praxispartner und transferaktiven Professoren und ihre Bedürfnisse im Sinne eines stakeholderzentrierten Ansatzes in den Fokus nimmt.

Storytelling im Hochschulkontext

Hochschulen erproben neue Formen der Informationsbereitstellung wie die Kuratierung von Inhalten und Informationen oder die Einführung von Newsrooms. Diese werden auf der Hochschulwebsite zielgruppenorientiert gebündelt und beispielsweise um Content aus sozialen Medien ergänzt. Zur anschaulichen Darstellung der Expertise und zur Förderung der Reputation der Hochschule werden zunehmend Best-Practice-Beispiele und Storytelling in der internen und externen Kommunikation genutzt.

Hierbei werden beispielhaft Transfermaßnahmen oder Forschungs- und Entwicklungskooperationen nicht nur sachlich beschrieben, sondern aus den Perspektiven der beteiligten Forscher und Partner praxisnah in Form einer Geschichte erzählt und mit Elementen wie Kommentaren, Videos oder Interviews angereichert.

Soziale Medien sind zentraler Bestandteil des Wissenstransfers

Soziale Medien wie Facebook, Twitter oder auch LinkedIn, um nur einige zu nennen, ermöglichen die Pflege und Entwicklung von Netzwerken im Sinne eines Social Relationship Management. Sie bieten schnellen und unkomplizierten Zugang zu Fach-Communitys. Neben Websites und klassischen Medien gehören sie daher im Transfer zum Kommunikationsmix. Zudem bieten sie umfassende Analysemöglichkeiten der (Kommunikations-)Daten, die für die strategische Entwicklung sowie das Technologie- und Innovationsscouting genutzt werden können.

Klassische Konferenzen, Vorträge und Workshops können darüber hinaus, beispielsweise mit Livestreaming oder Audience-​Response-Systemen, crossmedial und interaktiv gestaltet und die daraus resultierenden Inhalte für die Kommunikation in den sozialen Medien genutzt werden. Auf diese Weise schaffen sie neue Öffentlichkeit und halten Wissen für Dritte auch nach Veranstaltungs­ ende vor.

Dabei dienen Angestellte als Multiplikatoren in sozialen Medien

Forschende können zudem in den sozialen Medien als Botschafter für die Hochschule auftreten und für diese im Sinne von „Employee Advocacy“ kommunizieren, ohne dass die Hochschule in die Erstellung oder Freigabe der Inhalte involviert ist. Durch das Kommunizieren von Themen und das Teilen von Inhalten eröffnen sie neue Kontakte, Netzwerke und Communitys, die in der Gestaltung zukünftiger Kooperationsvorhaben strategisch genutzt werden können.

Hierfür bedarf es Social-Media-Monitoring und -Analyse, um die Potenziale für die weiteren Transferaufgaben ausschöpfen und Risiken zu minimieren. Die Analysetools ermöglichen es, die dezentral organisierte Kommunikation und Netzwerke in sozialen Medien zu erfassen. Dies lässt sich für die eigene Kommunikation und Redaktionsplanung in Form von Postings oder Retweets (Redaktionstools) wie auch zum Scouting (Monitoring- und Intelligencetools) nutzen und langfristig in das Wissensmanagement integrieren.

Beiträge von (Fach-)Communitys und (Nano-)Influencern, die sich aus Praxisakteuren oder Forschenden zusammensetzen, sowie Themen, die Relevanz für das Innovationsscouting oder Matching von Forschenden und Praxispartnern besitzen, können so identifiziert und die eigenen Kommunikationsaktivitäten darauf abgestimmt werden. Interagierende Nutzer in den sozialen Medien und in digitalen Communitys belegen das Interesse an der Hochschule, ihren Forschenden und deren Themen.

Hochschulen nutzen alternative Chat-Dienste und Groupware

Wissensmanagement im Transfer etabliert neue Prozesse und hält Informationen vor, die Verbindlichkeiten zwischen den Akteuren schaffen. Innerhalb der Hochschule werden (digitale) Räume zur Produktion von Wissen, zur Vernetzung sowie zum Austausch geschaffen. Hierfür können Chat-Dienste und Groupware wie Slack, Rocket.Chat oder Mattermost die Arbeit im Transfer und an der Hochschule unterstützen.

Erfolgreicher Wissenstransfer innerhalb der Hochschule integriert Wissen, überträgt es in Handlungen und stellt es den Akteuren und Einrichtungen bereit. Die in den letzten Jahren eingetretenen Veränderungen zur dialogorientierten digitalen Kommunikation und die Wandlung des Verhältnisses zwischen Produzenten und Rezipienten benötigen neue Organisationsformen und Tools. Auch erfordern sie eine entsprechende Einstellung an den Hochschulen und neue Kompetenzen der Mitarbeitenden.

Digital Literacy darf nicht fehlen

Digitale und Daten-Kompetenz (Digital und Data Literacy) sind damit die Fähigkeiten für Mitarbeitende im Wissens-und Technologietransfer, um mit den Herausforderungen in der Kommunikation umzugehen (Stifterverband-Inititaive Future Skills). Es bedarf der Öffnung der bisherigen Organisationsstrukturen an den Hochschulen, da die gegenwärtigen Veränderungen der Wissenschaftskommunikation vormals abgegrenzte Bereiche der Hochschule weiter durchdringen werden.

Die dezentrale Kommunikation in soziotechnischen Arrangements sowie zwischen Mitgliedern der Hochschulen und Öffentlichkeit muss organisiert und gestaltet werden. Die strategischen Potenziale, die sich nicht nur für den Transfer, sondern für die Hochschule im Allgemeinen ergeben, sollten dabei weiter ausgebaut und genutzt werden.

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Auszug aus dem Artikel „Digitalisierung verändert die Kommunikation von Wissen“, geschrieben von Andrea Japsen, Christine Lippelt und Michael Wuppermann, sowie erstmals erschienen in DUZ Wissenschaft & Management 06/2019.

Literaturtipps

e-teaching.org (2015). Kommunikation und Kooperation im virtuellen Raum. Leibniz-Institut für Wissensmedien: www.e-teaching.org/technik/kommunikation/index_html. Zuletzt geändert am 16.06.2015. Zugriff am 08.04.2019.

Funk, Burkhardt & Wuppermann, Michael (2019). „Datenkompetenzen in Kooperationen fördern.“ DUZ Wissenschaft & Management 01/2019.

Ossing, F. & Hüttl, R. (2016). Wissenschaftskommunikation, Wissenschafts-PR und Wissenstransfer. Über unscharfe Begriffsverwendungen in der gesellschaftlichen Nutzung wissenschaftlichen Wissens. Bielefeld: UVW. Online verfügbar unter: https://media.wix.com/ugd/7bac3c_f19510502a534013a04266fb630dc1ef.pdf. Zugriff am 09.04.2019.

Stalder, Felix (2016). Kultur der Digitalität. Erste Auflage. Berlin: Suhrkamp.

Thiel, T. (2018). Ihre Mission heißt Innovation. Frankfurter Allgemeine, www.faz.net/aktuell/feuilleton/hochschule/grundlagenforschung-ihre-mission-heisst-innovation-15793170.html?GEPC=s3. Abgerufen am 09.04.2019.

Wissenschaftsrat (2013). Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems. Online verfügbar unter: www.wissenschaftsrat.de/ download/archiv/3228-13.pdf. Abgerufen am 08.04.2019.

Wissenschaftsrat (2015). Zum wissenschaftspolitischen Diskurs über Große gesellschaftliche Herausforderungen. Positionspapier (Drs. 4594-15). Online verfügbar unter: www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4594-15.pdf. Abgerufen am 08.04.2019.

Wissenschaftsrat (2016). Wissens- und Technologietransfer als Gegenstand institutioneller Strategien. Positionspapier (Drs. 5665-16). Online verfügbar unter: www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/5665-16.pdf. Abgerufen am 08.04.2019.